Zusammenfassung
Im stetig wachsenden Markt alkoholarmer und alkoholfreier (< 0,5 Vol.-% Alkohol) Biere sind in den letzten Jahren durchgehend Innovationen und Verfahrensoptimierungen zu beobachten gewesen. Besonders die Anwendung beziehungsweise Kombination verschiedener technologischer Verfahren (thermische, Membran- oder biologische Verfahren) hat zu einer starken Diversifizierung im Markt geführt. Oliver Kunz, Stellvertretende Abteilungsleiter der Mikrobiologie stellt Ergebnisse mit den Hefe TUM 629® und TUM 247®, die in einer Mischfermentation sehr gute alkoholfreie Weizenbiere produzieren können.
Author: Oliver Kunz, published in Brauwelt 15.04.2024, Lesen Sie den Artikel in der Brauwelt hier.
Artikel
Alle Verfahren zur Herstellung dieser Produkte bieten ihre individuellen Vor- und Nachteile im Hinblick auf Sensorik bzw. Produktqualität.
Zu den biologischen Verfahren zählen die Nutzung einer regulären Hefe, die in der Gärung so eingeschränkt wird, dass keine signifikanten Mengen an Ethanol entstehen oder die Nutzung von Hefen, die nur einen Teil der Würzezucker vergären.
Ein solches Verfahren wurde bereits 1933 beschrieben und setzt dabei Saccharomycodes ludwigii als Hefe ein [1]. Dieses Verfahren findet so oder in Abänderung mit dieser Hefe noch weit verbreitet Anwendung in verschiedenen Brauereien. Hefen, die nur Glucose, Fructose und Saccharose, nicht aber die Hauptzucker der Würze, Maltose und Maltotriose, vergären, erzeugen bei einer Stammwürze von circa 7 °P (normale Maischverfahren) circa 0,5 Vol.-% Alkohol. Die Nachteile der biologischen Verfahren liegen jedoch oftmals in dem stark würzeartigen Geschmack, wenig Aroma-positiven Stoffen (4-Vinylguaiacol und Isoamylacetat bei bayerischen Weizenbieren) und der betonten Restsüße.
Neue Hefe für alkoholfreies Bier
Am Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität (FZ Weihenstephan BLQ) wurde eine Hefe, die während des Projektes „Hefejagd“ isoliert wurde, für die Produktion alkoholfreier Biere erprobt [2].
Saccharomyces jurei ist die jüngste beschriebene Hefe des Genus Saccharomyces. Sie wurde erst 2017 beschrieben [3]. Das am FZ Weihenstephan BLQ hinterlegte Isolat wurde vom Autor 2017 von der Borke einer Esche aus den Münchner Isarauen isoliert und ist unter der Stammnummer TUM 629 erhältlich.
Die Fermentationseigenschaften dieser Hefe wurden bereits am Forschungszentrum Weihenstephan BLQ erforscht. Sie ist in der Lage, sowohl Maltose als auch Maltotriose zu verwerten, beginnt aber mit der Fermentation dieser Würzezucker erst nach einer verlängerten Lag-Phase bzw. Diauxie-Phase [4].
Die Diauxie-Phase bezeichnet die Verzögerung in der Stoffwechselaktivität bei der Umstellung von Glucose, Fructose und Saccharose auf komplexere Kohlenhydrate wie Maltose und Maltotriose während der Gärung, was in einem zweiphasigen Extraktabbau resultiert. Die Hefe ist als phenolic off-flavor (POF) positiv beschrieben, produziert also zum Beispiel das nach Nelke riechende 4-Vinylguaiacol. In einem bayerischen Weizenbier ist dieses als positiver Aromabeitrag zu werten.
Aufgrund des zweiphasigen Extraktabbaus mit der beschriebenen Lag-Phase wurde S. jurei für alkoholfreie Biere erprobt, da sich diese Hefe, ähnlich einer Maltose-negativen Hefe, vorübergehend selbst stoppt, nachdem Glucose, Fructose und Saccharose vergoren sind und nur wenig Alkohol entstanden ist. Zum Vergleich wurde ein alkoholfreies Weizenbier mittels gestoppter Gärung produziert (TUM 68).
Ziel der Versuchsreihe war es, ein Bier mit charakteristischem Weizenbieraroma zu produzieren und die eingangs erwähnten, negativen Attribute zu reduzieren.
Für die beiden alkoholfreien Biere wurde eine 7 °P Würze (verdünnte Betriebswürze) mit S. jurei TUM 629 (7 d, 20 °C) und mit LeoBavaricus® TUM 68 (S. cerevisiae) (12 °C, 5 d, pH-Justierung mit Milchsäure), mit jeweils 5*106 Zellen/ml unbelüftet angestellt. Die Gärung mit TUM 68 wurde dabei bei Erreichen von 0,5 Vol.-% Alkohol durch Abkühlen abgebrochen. Eine Justierung des pH-Wertes ist bei dem nur gering ausfallenden pH-Sturz bei einem gestoppten Gärer und bei anderen biologischen Verfahren für die Sensorik und Produktstabilität sinnvoll.
Die Einfachheit der Anwendung von S. jurei ähnelt der von Maltose-negativen Hefen. Es ist allerdings zu beachten, dass die Hefe nach einer gewissen Zeit, auch bei kälteren Temperaturen, noch weitere Würzezucker verwertet. Im Vergleich zu einem gestoppten Gärverfahren oder einem Kältekontaktverfahren muss jedoch der Alkoholgehalt nicht so engmaschig kontrolliert werden und erlaubt so mehr Flexibilität in der Produktion.
Tab. 1 Aromastoffe der Produkte aus dem Vorversuch zwischen gestopptem Gärer TUM 68 und einer S. jurei TUM 629 Gärung
Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung der Aromastoffe im Vergleich zwischen der Gärung mit S. jurei (TUM 629) und dem gestoppten Gärer (TUM 68).
Tabelle mit Werten für Würzealdehyde
Tab. 2 Würzealdehyde im Vergleich zwischen gestopptem Gärer TUM 68 und Gärung mittels TUM 629
TUM 629 lieferte bei einer Stammwürze von 7,24 °P einen Alkoholgehalt von 0,53 Vol.-% und einen Bier-pH von 4,73. Das Bier ist analytisch deutlich stärker ausgeprägt im phenolischen Charakter und etwas reicher an Acetatestern als der gestoppte Gärer. Bemerkenswert ist die starke Reduktion der Würzealdehyde (2-Methylpropanal, 2- und 3-Methylbutanal, Phenylethanal, Pentanal bis Nonanal) im Vergleich zur gestoppten Gärung. Ebenso sind die Gehalte an Diacetyl und Acetaldehyd, die während der Reifung eines Bieres abgebaut werden und zu Fehlgeschmäckern führen können, deutlich niedriger angesiedelt. Sensorisch wurde das Produkt als betont phenolisch und weizenbierartig beschrieben mit einem wesentlich weniger ausgeprägten würzeartigen Charakter im Vergleich zu der gestoppten Gärung. Analytisch lässt sich dies in den Aromastoffen, wie in Tabelle 2 ersichtlich, ebenfalls feststellen.
Optimierung mittels Mischgärung
Um den klassischen Charakter eines bayerischen Weizenbieres weiter auszuprägen, wurde versucht, den estrigen Charakter des Zielproduktes weiter zu optimieren und eine Mischgärung mit Cyberlindnera saturnus GlaciesPirum TUM 247 durchgeführt. Diese Hefe wurde bereits ausführlich zur Produktion von alkoholfreien bzw. -armen Bieren in Reinkultur beschrieben. Sie ist Maltose- und Maltotriose-negativ, POF-negativ und produziert große Mengen Isoamylacetat [5, 6].
Das verwendete Isolat wurde von Dr. Mathias Hutzler 2017 von Beeren und Blättern einer Esche in der Umgebung einer Brauerei isoliert [2].
Zur Gärung wurde eine auf 7 °P verdünnte Betriebswürze verwendet, der pH-Wert wurde vor der Gärung mit Milchsäure um 0,3 Einheiten gesenkt. Die Würzen wurden zum einen mit 7*106 Zellen/ml S. jurei TUM 629 angestellt sowie die Mischgärung mit einer Gesamtzellzahl von 7*106 Zellen/ml aus 60 Prozent S. jurei TUM 629 und 40 Prozent C. saturnus TUM 247. Die Gärung erfolgte wieder für sieben Tage bei 20 °C mit anschließender Kühlung für zwei Wochen bei 0,5 °C gefolgt von Abfüllung und Pasteurisation. Um den Erfolg der Mischgärung zu bewerten, wurden die entsprechenden Aromastoffe der beiden Biere untersucht (Tab. 3).
Tabelle mit Werten der Aromastoffe eines Einzel- und Mischprodukts
Tab. 3 Aromastoffe eines Produktes mit S. jurei TUM 629 und einer Mischgärung aus S. jurei TUM 629 und C. saturnus TUM 247
Mit der Mischgärung konnte ein angenehm Weizenbier-aromatisches Produkt mit ausgewogen estriger und phenolischer Note erzeugt werden. Die für biologische Verfahren typische Restsüße ist auch bei diesem Bier festzustellen, jedoch ist der würzeartige Charakter wie im ersten Versuch bereits stark reduziert und weniger ausgeprägt als in Produkten, die mittels gestoppter Gärung hergestellt werden. Im Geruch und Geschmack ist das Bier angenehm aromatisch und rein. Entsprechend dem Gehalt an Restextrakt ist es vollmundig und Weizenbier-typisch rezent und spritzig.
Einsatz alternativer Hefen
Wie in der Versuchsreihe gezeigt, konnte mit einer Mischgärung aus Saccharomyces jurei TUM 629 und Cyberlindnera saturnus TUM 247 ein alkoholfreies Bier produziert werden, das eine angenehme, Weizenbier-typische Aromatik hat, und zudem konnten die negativen sensorischen Aspekte, die bei einer Produktion mittels biologischer Verfahren oftmals auftreten, reduziert werden. Der Einsatz der beiden Hefen lässt sich in nahezu jeder Brauerei mit der Möglichkeit zur Propagation oder Herführung von zwei Hefesätzen durchführen. Für die weitere Verarbeitung ist keine spezielle Technologie erforderlich, jedoch ist eine grobe Filtration oder Separation zur Entfernung der Hefemasse zu empfehlen, da die beiden Hefen nicht gleich stark flokkulieren wie reguläre Bierhefen. Durch die Diauxiephase von S. jurei bzw. die Maltose-Maltotriose-Negativität von C. saturnus ist die Flexibilität in der Produktion ähnlich dem Einsatz anderer alternativer Hefen, aber weitaus weniger überwachungsintensiv als bei der Anwendung eines gestoppten Gärverfahrens oder des Kältekontaktverfahrens. Somit erlaubt die Anwendung des hier beschriebenen Verfahrens eine größere Variation in der Gärdauer, ohne den Alkoholgehalt von 0,5 Vol.-% zu überschreiten.
Als limitierender Faktor bleibt die Länge der Diauxiephase beim Einsatz von S. jurei TUM 629 zu beachten; C. saturnus TUM 247 ist als Maltose- und Maltotriose-negative Hefe nicht risikobehaftet, überzuvergären, nachdem sich die Gärung einstellt. S. jurei zeigte bei 15 °C nach circa sieben bis zehn Tagen wieder ansteigende Gäraktivität [4]. Bei 20 °C nimmt die Gäraktivität nach sieben Tagen ab, setzt sich aber langsam und stetig fort bzw. nimmt in der folgenden Zeit wieder an Geschwindigkeit auf. Alle Versuche wurden mit einer frisch propagierten Hefe durchgeführt, bei mehrfacher Führung des Hefesatzes ist eine Adaption an das Substrat und die damit einhergehende Verkürzung der Diauxiephase möglich und wahrscheinlich.
Eine Pasteurisation des Produktes, idealerweise im Gebinde, ist auf Grund der höheren Sensibilität alkoholfreier Biere und der verbleibenden Nährstoffe unumgänglich – auch angesichts der Gefahr des Eintrages der regulären Produktionsstämme, die Maltose und Maltotriose vergären.
Modifikationen des hier beschriebenen Verfahrens können durchaus die Produktqualität weiter optimieren oder das Verfahren an technische Gegebenheiten des Betriebes anpassen. Die Durchführung zweier separater Gärungen und ein anschließender Verschnitt nach gewünschter Aromaintensität wäre eine weitere Möglichkeit, den Prozess kontrolliert durchzuführen. Eine sequentielle Gärung, also das Anstellen mit erst nur einer der beiden Hefen und die Zugabe der anderen nach einer definierten Zeit, bietet sich als weitere Möglichkeit an. Diese beiden Prozessführungen wurden in diesem Rahmen nicht erprobt.
Weitere Optimierungsmöglichkeiten liegen zweifelsohne in der Mischung der Hefen bzw. in der Variation der Anstellzellzahlen und des Belüftungsregimes, die allesamt einen Einfluss auf die Ausprägung des Aromas, speziell der Acetatester, haben. Weiterhin lässt sich das Mundgefühl und der Eindruck der Restsüße im Produkt durch eine Modifikation des Maischprozesses beeinflussen. Dabei wird durch Limitierung der Wirkung der stärkeabbauenden Enzyme über die Zeit und Temperatur eine Würze mit geringerem Gehalt an vergärbaren Zuckern erzeugt, die auch zur Reduzierung des Alkoholgehaltes beiträgt, wie in verschiedenen Arbeiten demonstriert wurde [7, 8].
Die hier beschriebene Methodik reiht sich in die Erprobung „neuer“ Hefestämme zur Bierproduktion, Herstellung neuartiger Produkte und der Verbesserung der Bierqualität ein, wie sie seit einigen Jahren bereits am FZ Weihenstepahn BLQ durchgeführt wird.
Eine neue Alternative für die Herstellung aromatischer alkoholfreier Weizenbiere mit den beiden vorgestellten Hefen erweitert die Vielzahl bereits existierender Produktionsverfahren für alkoholfreie Biere. Beide Hefestämme sind über das Hefezentrum des FZ Weihenstephan BLQ in Reinkultur unter den genannten Stammnummern erhältlich.
Sie wollen mehr zum Thema wissen? Werfen Sie doch mal einen Blick in unser Dossier: Hefe.
Literatur
Glaubitz, M.; Hähn, H.: Beer Manufacture, veröffentlicht als Patent US1898047 A., 1933.
Hutzler, M.: „Yeast biodiversity of traditional and modern hop beer fermentations – Targeted expansions of yeast biodiversity via developed yeast hunting methods“, Dissertation, 2022.
Naseeb, S., et al.: „Saccharomyces jurei sp. nov., isolation and genetic identification of a novel yeast species from Quercus robur“, International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology, Bd. 67, 2017, S. 2046–2052.
Hutzler, M. et al.: „Unique Brewing-Relevant Properties of a Strain of Saccharomyces jurei Isolated From Ash (Fraxinus excelsior)“, Frontiers in Microbiology, Heft 12, 2021.
Methner, Y. et al.: „Screening for the Brewing Ability of Different Non-Saccharomyces Yeasts.“ Fermentation, Bd. 5, 2019, S. 101.
Methner, Y. et al.: „Influence of Varying Fermentation Parameters of the Yeast Strain Cyberlindnera saturnus on the Concentrations of Selected Flavor Components in Non-Alcoholic Beer Focusing on (E)-β-Damascenone“, Foods, Bd. 11, 2022, S. 1038.
Ivanov, K. et al.: „Investigation of mashing regimes for low-alcohol beer production.“ Journal of the Institute of Brewing, Bd. 122, 2016, S. 508–516.
Endres, F. et al.: „Constant temperature mashing at 72 °C for the production of beers with a reduced alcohol content in micro brewing systems“, European Food Research and Technology, Bd. 248, 2022, S. 1457–1468.